Bid rigging in procurement procedures

Österreich
Available languages: EN

Die Europäische Kommission („Kommission“) hat eine Mitteilung zum Umgang mit wettbewerbsbeschränkenden Absprachen veröffentlicht. Die „Notice on tools to fight collusion in public procurement and on guidance on how to apply the related exclusion ground” (C (2021) 1631) enthält einen Leitfaden, wie Auftraggeber unzulässige Absprachen aufdecken können, wann Unternehmer aus diesem Grund auszuschließen sind und welche Möglichkeiten Unternehmer zur „Selbstreinigung“ haben.

Die Kommission legt den Ausscheidensgrund wettbewerbsbeschränkender Absprachen streng aus: Schon plausible Anhaltspunkte genügen! Sobald Anhaltspunkte für mögliche Bieterabsprachen hervorkommen, sollten Unternehmen umgehend geeignete Maßnahmen für eine „Selbstreinigung“ ergreifen.

Erhöhtes Risiko von Bieterabsprachen

Öffentliche Auftragsvergaben sind anfällig für Bieterabsprachen. Als wesentliche Faktoren dafür identifiziert die Kommission

  • das oftmals repetitive und vorhersehbare Verhalten von Auftraggebern,
  • strenge technische Anforderungen, die den potenziellen Bewerberkreis beschränken, und
  • die zum Teil gesetzlich geforderte Offenlegung von Preisen und Namen anderer Unternehmer.

Bieterabsprachen (Kollusion) unterlaufen ein faires, transparentes, wettbewerbsgetriebenes und investitionsorientiertes Vergabeverfahren, halten gesetzestreue Unternehmen von der Teilnahme an Vergabeverfahren ab und gehen zudem oft Hand in Hand mit Korruption. Die Kommission bemerkt, dass das Risiko von Absprachen gerade in Notsituationen mit besonders hoher Nachfrage groß ist und dass sich die nachteiligen Effekte von Absprachen gerade in Nachkrisenzeiten besonders negativ auswirken.

Bislang bestraften die europäischen und nationalen Wettbewerbsbehörden kollusives Verhalten meist erst Jahre nach Beendigung eines Auftrags. Wichtig erscheint es der Kommission daher, kollusives Verhalten schon im Vergabeverfahren zu entdecken und zu unterbinden. Hier ist insbesondere die vergaberechtliche Pflicht zum Ausschluss der Bieter schon bei Vorliegen plausibler Anhaltspunkte für kollusives Verhalten wichtig.

Die Mitteilung nennt Maßnahmen und Tipps zur Bekämpfung von Bieterabsprachen. Eine wesentliche Rolle spielt gemäß der Kommission dabei das Verhalten der öffentlichen Hand selbst: Wichtig sind

  • Wissen und Erfahrung sowohl hinsichtlich Vergaberecht als auch Wettbewerbsrecht,
  • eine genaue Marktrecherche vor Einleitung eines Vergabeverfahrens und
  • die Gestaltung der Ausschreibungsunterlagen zur Schaffung größtmöglichen Wettbewerbs.

Die Kommission ermuntert auch dazu, die Zusammenarbeit zwischen Wettbewerbsbehörden und Auftraggebern zu stärken, und nennt Schweden und Deutschland als Beispiele. Dort komme der Wettbewerbsbehörde eine Art Aufsichtsfunktion zu.

Kommt eine „Blacklist“ in Österreich?

Auch schlägt die Kommission die Einrichtung einer nationalen Datenbank für Unternehmen vor, die an Submissionskartellen beteiligt waren. Eine solche existiert in Österreich in gewisser Weise schon jetzt in der Form der Verbandsregisterauskunft der WKStA.

Eine allgemein zugängliche „Blacklist“ wie etwa jene auf der Website der Weltbank hat demgegenüber aber natürlich eine starke Publizitätswirkung und dadurch einen zusätzlich abschreckenden Effekt.

Indizien genügen

Hat ein Auftraggeber hinreichend plausible Anhaltspunkte für eine unzulässige Absprache, ist ein Unternehmer vom Vergabeverfahren auszuschließen. Die Kommission interpretiert dies weit. Ein Indiz soll etwa bereits vorliegen, wenn

  • ein Unternehmer noch vor der Angebotsbewertung Material für die Auftragsausführung bestellt,
  • eine auffällige (rotierende) Teilnahme an Vergabeverfahren zu beobachten ist,
  • es zum Anbieten höherer Preise als in früheren, vergleichbaren Vergabeverfahren kommt,
  • eine strafrechtliche Anklage gegeben ist oder
  • Informationen über Kartellverfahren vorliegen.

Grenzen des Ausschlusses

Ein Ausschluss ist laut Kommission jedoch keine „Strafe“ für ein früheres Verhalten. Er soll vielmehr die Gleichbehandlung und den Wettbewerb im Vergabeverfahren sichern. Ein Auftraggeber muss daher selbständig beurteilen, ob dieser Ausschlussgrund erfüllt ist, und ihn nachweisen. Alleine der Umstand, dass ein Unternehmer in einem früheren Vergabeverfahren ausgeschlossen wurde, darf nicht automatisch wieder zum Ausschluss führen. Der Ausschlussgrund bezieht sich jeweils auf das Unternehmen, das an einer Absprache beteiligt war, nicht aber auch auf konzernverbundene Unternehmen.

Mitwirkungspflicht des Bieters

Dabei trifft den Unternehmer eine Mitwirkungspflicht: Er hat den Auftraggeber über gerichtlich festgestellte Kartellverstöße zu informieren. Diese Information wird beispielsweise in der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung abgefragt. Auch wenn eine Eigenerklärung in anderer Form abgegeben wird, ist zu empfehlen, derartige Urteile offenzulegen. Unterlässt ein Unternehmer diese Information, kann er – so die Kommission – schon aus diesem Grund vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.

Mehrfachbeteiligung

Besonders heikel ist aus dieser Sicht die Beteiligung von konzernverbundenen Unternehmen an demselben Vergabeverfahren, die Gründung von Bietergemeinschaften oder die mehrfache Beteiligung als Subunternehmer/Bieter. Denn dies deutet auf ein unzulässiges Naheverhältnis und eine mögliche Einflussnahme hin. Konzernverbundene Bieter müssen die Möglichkeit erhalten, darzulegen, dass ihre Angebote autonom und unabhängig voneinander erstellt wurden und weder die Transparenz noch den freien Wettbewerb beeinträchtigen.

Selbstreinigung

Unternehmer dürfen jedoch dann nicht ausgeschlossen werden, wenn sie eine „Selbstreinigung“ glaubhaft machen. Unternehmer haben ein Recht auf Darlegung der erfolgreichen Selbstreinigung. Die gesetzten Maßnahmen müssen verhältnismäßig zur Schwere des Verstoßes sein und variieren je nach Einzelfall. Ein Unternehmer muss daher beispielsweise nur dann Schadenersatz geleistet haben oder sich dazu verpflichtet haben, wenn eine Klage gegen ihn eingebracht wurde. Andererseits können mitunter auch Personalmaßnahmen – ohne weitere technische oder organisatorische Maßnahmen – ausreichen. Hier ist das österreichische Gesetz wohl zu streng formuliert.

Auch kann eine Selbstreinigung bei Absprachen während eines konkreten Vergabeverfahrens erfolgen, wenn der Unternehmer den Auftraggeber proaktiv darauf hinweist, an der Aufklärung mitwirkt und Maßnahmen trifft, um zukünftig derartige Verstöße zu verhindern. Die Kommission betont außerdem, dass ein Kronzeugenstatus in diesem Rahmen zu würdigen ist.