Insolvenzrechtliche Änderungen durch COVID-19

Österreich

1. EINLEITUNG

Die COVID-19 Pandemie bringt derzeit viele österreichische Unternehmer in eine angespannte und in einigen Fällen durchaus existenzbedrohliche Situation. Während die Umsätze aufgrund der zur Eindämmung der Ausbreitung von COVID-19 getroffenen Maßnahmen deutlich einbrechen, sind laufende Kosten von Unternehmern vielfach weiter zu bezahlen. Um Unternehmer insbesondere vor den kurzfristigen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie zu schützen, hat der österreichische Gesetzgeber perse gesetzliche Maßnahmen getroffen. Aus insolvenzrechtlicher Sicht betreffen diese Schutzmaßnahmen insbesondere die folgenden Bereiche:

2. ERLEICHTERUNGEN BEI DER INSOLVENZANTRAGSSTELLUNG

Mit dem 2. COVID-19-Gesetz wurde klargestellt, dass auch eine Pandemie bzw. Epidemie als Naturkatastrophe im Sinne des § 69 Abs. 2 IO gilt. Dies hat zur Folge, dass die Höchstfrist für einen Insolvenzantrag aufgrund der COVID-19 Pandemie 120 Tage (anstelle von sonst 60 Tagen) beträgt. Hervorzuheben ist, dass es sich hierbei wiederum lediglich um eine Höchstfrist handelt und die Insolvenzantragstellung auch weiterhin nicht schuldhaft verzögert werden darf. Schuldhaft verzögert ist der Antrag insbesondere dann nicht, wenn der Schuldner Sanierungsbemühungen sorgfältig vorantreibt.



Im am 05.04.2020 in Kraft getretenen 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz wurde außerdem eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei einer ab 01.03.2020 eingetretenen Überschuldung (nicht jedoch bei Zahlungsunfähigkeit) bis zum Ablauf des 30.06.2020 festgelegt. Auch aufgrund eines während dieses Zeitraums gestellten Gläubigerantrags ist ein Insolvenzverfahren nicht zu eröffnen, wenn der Schuldner überschuldet, aber nicht zahlungsunfähig ist. Ist der Schuldner bei Ablauf dieses Zeitraums überschuldet, hat er die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber innerhalb von 60 Tagen nach Ablauf des 30.06.2020 oder 120 Tage nach Eintritt der Überschuldung, je nachdem welcher Zeitraum später endet, zu beantragen.



Vorrangiges Ziel und Voraussetzung zur vorübergehenden Hintanhaltung einer Insolvenzantragspflicht ist daher die Vermeidung des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit. Für von der Krise betroffene Unternehmen ist es daher ratsam, insbesondere alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen zur Liquiditätssteigerung zu prüfen und ggf. auszuschöpfen (zum entsprechenden Maßnahmenpaket von CMS gelangen sie hier).

3. STUNDUNG VON ZAHLUNGSPLANRATEN

Ändert sich die Einkommens- und Vermögenslage eines Schuldners aufgrund von Maßnahmen, die zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 getroffen werden, sodass er fällige Verbindlichkeiten des Zahlungsplans (nicht jedoch des Sanierungsplans bei Unternehmen) nicht erfüllen kann, kann er vor Erhalt einer Mahnung oder binnen 14 Tagen nach Mahnung die Stundung der Verbindlichkeiten um bis zu neun Monate begehren (§ 11 des 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz). Die Stundung ist vom Insolvenzgericht zu bewilligen, wenn die Mehrheit der stimmberechtigten Gläubiger zustimmt. Stimmt die Gläubigermehrheit nicht zu, kann das Insolvenzgericht die Stundung dennoch bewilligen, außer die Stundung würde zumindest einen der widersprechenden Gläubiger aus persönlichen oder wirtschaftlichen Gründen unbillig hart treffen.



Gerät ein Schuldner mit seinen Verpflichtungen aus einem Sanierungsplan gegenüber einem Gläubiger trotz Mahnung und 14-tägiger Nachfrist in Verzug, so fallen grundsätzlich die Wirkungen des Sanierungsplans gegenüber diesem Gläubiger weg. Gemäß dem 2. COVID-19-Gesetz treten diese für den Schuldner nachteiligen Folgen nicht ein, wenn die Mahnung zwischen 05.04.2020 und 30.04.2020 erfolgt.

4. KREDITSTUNDUNGEN AUCH FÜR KLEINSTUNTERNEHMEN

Die im § 2 des 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz vorgesehene Stundung von Zahlungen aus Kreditverträgen für eine Dauer von drei Monaten ab Eintritt der Fälligkeit gilt auch für Kleinstunternehmen, sofern der Kreditvertrag vor dem 15.03.2020 abgeschlossen wurde und das Unternehmen infolge der COVID-19-Pandemie die Leistungen nicht ohne Gefährdung seiner Existenz erbringen kann. Bei Kleinstunternehmen handelt es sich um Unternehmen, die weniger als 10 Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz 2 Mio. EUR nicht überschreitet. Derart gestundete Kreditraten sind bei der Ermittlung einer möglichen Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens nicht zu berücksichtigen.

5. UNGÜLTIGKEIT VON KONVENTIONALSTRAFEN

Eine weitere für die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit maßgebliche Erleichterung stellt der gesetzliche Ausschluss von Konventionalstrafen dar (§ 4 des 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz). Demnach ist ein Schuldner, der als Folge der COVID-19-Pandemie entweder in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist oder die Leistung wegen der Beschränkungen des Erwerbslebens nicht erbringen kann, nicht verpflichtet, eine (in einem vor 01.04.2020 abgeschlossenen Vertrag vereinbarte) Konventionalstrafe zu zahlen. Entsprechende Regelungen wurden also (rückwirkend) für unzulässig erklärt und sind Verpflichtungen daraus – bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen – bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit nicht zu berücksichtigen.

6. KEINE ANFECHTUNG VON KURZARBEITS-ÜBERBRÜCKUNGSKREDITEN

Zur Zwischenfinanzierung der Gehälter von Mitarbeitern in Kurzarbeit bis zur Auszahlung einer COVID-19-Kurzarbeitshilfe besteht derzeit ein hoher Bedarf an Überbrückungskrediten. Die Gewährung und Rückzahlung solcher Kredite wäre grundsätzlich anfechtbar, wenn der Kreditnehmer materiell insolvent war und dies dem Kreditgeber bekannt war oder bekannt sein musste (§ 31 IO). Um Unternehmern den schnellen und unbürokratischen Abschluss einer solchen Überbrückungsfinanzierung ohne Anfechtungsrisken für die Kreditgeber zu erleichtern, sieht § 10 des COVID-19-Justiz-Begleitgesetz vor, dass die Gewährung derartiger Zwischenfinanzierungen nicht der Anfechtung nach § 31 IO unterliegt, wenn

(i) der Kredit während des Zeitraums gewährt wurde, in dem die Insolvenzantragspflicht des Schuldners wegen Überschuldung nach § 9 des COVID-19-Justiz-Begleitgesetz ausgesetzt ist,;
(ii) die Rückzahlung des Kredits sofort nach Erhalt der COVID-19-Kurzarbeitshilfe erfolgt;

(iii) für den Kredit weder ein Pfand noch eine vergleichbare Sicherheit aus dem Vermögen des Schuldners bestellt wurde; und
(iv) dem Kreditgeber bei Kreditgewährung eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht bekannt war.

7. FRISTVERLÄNGERUNGEN

Die im 2. COVID-19-Gesetz beschlossenen gerichtlichen Fristenunterbrechungen bzw -hemmungen gelten im Insolvenzverfahren nicht. Das Insolvenzgericht kann verfahrensrechtliche Fristen (z.B. die Frist für die Einbringung einer Prüfungsklage), deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach Inkrafttreten des 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetzes fällt, von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten oder des Insolvenzverwalters angemessen, höchstens um 90 Tage, verlängern. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Insolvenzverfahren weiter rasch und zügig abgewickelt werden, um Sanierungschancen zu erhalten, im Einzelfall aber durch flexiblere Fristsetzungen angemessene „maßgeschneiderte“ Lösungen im Interesse aller Beteiligten ermöglicht werden.



Eine entsprechende Verlängerung der Fristen für die vorübergehende Nicht-Erfüllung eines Aussonderungs- oder Absonderungsanspruches gemäß § 11 Abs. 2 IO und für die Sperre der Auflösung von Verträgen durch Vertragspartner des Schuldners gemäß § 25a IO (grundsätzlich jeweils 6 Monate ab Insolvenzeröffnung) ist jedoch nur möglich, wenn die Verlängerung geeignet ist, aufgrund einer in Aussicht stehenden Verbesserung der wirtschaftlichen Situation den Abschluss eines Sanierungsplans zu erreichen, dessen Erfüllung voraussichtlich möglich ist und der dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger entspricht. Vor der gerichtlichen Entscheidung über eine Verlängerung einer derartigen Frist ist der betroffene Absonderungsgläubiger, Aussonderungsberechtigte bzw. Vertragspartner einzuvernehmen.