Österreich: Alles neu im Medizinprodukterecht?

Österreich
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Im Juli 2021 ist in Österreich mit dem MPG 2021 ein neues Medizinproduktegesetz in Kraft getreten, das neue Pflichten und Vorgaben für die Akteure des Medizinproduktemarktes festlegt. Es beinhaltet allerdings nur mehr jene Rechtsbereiche, die nicht schon auf EU-Ebene durch die seit 26. Mai 2021 geltende Medizinprodukteverordnung geregelt sind. Für In-vitro-Diagnostika, wie Covid-19- oder Schwangerschaftstests, gilt weiterhin – bis zur Anwendbarkeit der EU In-vitro-Diagnostika Verordnung ab 26. Mai 2022 – das alte Medizinproduktegesetz.

MPG 2021: Überblick über die wesentlichen Neuerungen

Das MPG 2021 regelt verschiedenste Abschnitte des „Lebenszyklus“ eines Medizinproduktes. So enthält es neue Vorgaben zu klinischen Studien, eine Registrierungspflicht für Händler und Hersteller von Sonderanfertigungen, Regelungen zu Sprachanforderungen und zu In-House-Produkten. Sanktioniert werden Verstöße gegen medizinproduktrechtliche Vorgaben durch umfassende Verwaltungsstrafbestimmungen – wobei nunmehr auch schon eine versuchte Rechtsverletzung strafbar ist.

Klinische Studien

Für klinische Studien, welche zum Nachweis der Konformität von Produkten durchgeführt werden, gelten die Vorgaben der Medizinprodukteverordnung. Das MPG 2021 betrifft daher nur jene klinischen Studien, die nicht zum Nachweis der Konformität von Produkten dienen. Sie bedürfen, wenn sie Auswirkungen auf die Diagnostik und/oder Therapie eines Prüfungsteilnehmers haben, einer Genehmigung des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG). Andere Studien sind dem BASG nur zu melden. Die klinische Prüfung ist ferner dem ärztlichen Leiter der Krankenanstalt durch den Sponsor anzuzeigen. Der Sponsor hat auch dafür zu sorgen, dass Prüfungsteilnehmern eine Kontaktstelle zur Verfügung steht, bei welcher sie Informationen einholen können.

Bei Nichteinhaltung der Melde- oder Genehmigungsvorgaben der EU-Verordnungen oder des MPG 2021 sind nunmehr weit reichende Konsequenzen vorgesehen. In diesem Fall dürfen die gewonnenen Daten nicht publiziert, nicht entgeltlich oder unentgeltlich an Dritte weitergegeben und nicht im Rahmen eines Konformitätsbewertungsverfahrens oder eines Zulassungsverfahrens verwendet werden. Zudem müssen bereits erfolgte Publikationen zurückgezogen werden.

Registrierungspflicht für Händler und Hersteller von Sonderanfertigungen

Während sich Händler bisher nur im österreichischen Medizinprodukteregister registrieren mussten, wenn sie Medizinprodukte erstmals im EWR in Verkehr bringen, hat das MPG 2021 eine generelle nationale Registrierungspflicht für Händler und Hersteller von Sonderanfertigungen geschaffen. Obwohl die entsprechende Bestimmung bereits in Kraft getreten ist, fehlt es derzeit noch an einer Festlegung der für die Registrierung zuständigen Stelle. Es ist davon auszugehen, dass die Gesundheit Österreich GmbH die Führung des Registers übernehmen wird, da sie bereits jetzt das Österreichische Medizinprodukteregister betreibt. In diesem konnten sich Händler schon bisher, allerdings auf freiwilliger Basis, registrieren.

Sprachanforderungen

Neue Vorgaben bestehen auch im Bereich der Sprachanforderungen. Nunmehr müssen die folgenden Informationen bzw. Unterlagen in deutscher Sprache zur Verfügung gestellt werden:

  • die dem Medizinprodukt beiliegenden Informationen (bei professionellen Anwendern ist Englisch ausreichend);
  • EU-Konformitätserklärung auf Ersuchen von Anwendern oder Patienten;
  • Unterlagen über den Nachweis der Konformität auf Ersuchen des BASG;
  • implantierbaren Produkten beiliegende Informationen;
  • Sicherheitsanweisung im Feld.

Werbevorschriften

Weiterhin auf nationaler Ebene geregelt bleibt die Werbung für Medizinprodukte. Es wurden hier im Wesentlichen die bisherigen Regelungen übernommen – es bleibt daher insbesondere bei den weiterhin stark eingeschränkten Werbemöglichkeiten gegenüber Laien.

Neben die detaillierten nationalen Bestimmungen tritt Art 7 der Medizinprodukteverordnung, der erstmals auf EU-Ebene ein einheitliches Irreführungsverbot für die Medizinprodukte-Werbung vorsieht. Dieses geht in Teilbereichen über die bisherigen nationalen Regelungen hinaus. So kann es auch irreführend sein, wenn der Nutzer oder Patient nicht über die zu erwartenden Risiken, die mit der Verwendung des Produkts gemäß seiner Zweckbestimmung verbunden sind, informiert wird. Eine derartige Regelung gab es bisher im österreichischen MPG nicht.

In-House Produkte

Im Hinblick auf In-House-Produkte enthält das MPG 2021 nicht wie ursprünglich geplant ein Verbot der Herstellung und Verwendung bestimmter In-House Produkte in Gesundheitseinrichtungen, sondern eine Verordnungsermächtigung. Der zuständige Bundesminister kann mittels Verordnung In-House-Produkte festlegen, die nicht in Gesundheitseinrichtungen hergestellt oder verwendet werden dürfen. Ferner können derart auch Anforderungen an die In-House-Produktion festgelegt werden.

Was gilt für Altprodukte?

Bescheinigungen über Medizinprodukte, die von Benannten Stellen nach dem 25. Mai 2017 (aber vor in Kraft treten der neuen Rechtslage) gemäß der damals geltenden EU-Richtlinien ausgestellt wurden, bleiben bis zum Ende des darin angegebenen Zeitraums gültig - sie verlieren jedoch spätestens am 27. Mai 2024 ihre Gültigkeit. Ferner dürfen Medizinprodukte, die aufgrund der geänderten Rechtslage nun einem Konformitätsbewertungsverfahren unter Mitwirkung einer Benannten Stelle unterliegen würden, aber für die bereits eine EU-Konformitätserklärung auf Basis der alten Rechtslage vorliegt, weiter in Verkehr gebracht werden. Voraussetzung ist aber jedenfalls, dass das Medizinprodukt weiter den Vorgaben der EU-Richtlinien entspricht und dass keine wesentlichen Änderungen der Auslegung oder Zweckbestimmung vorgenommen werden. Zu beachten ist ferner, dass auch Altprodukte den neuen Regelungen über die Überwachung nach dem Inverkehrbringen nach der EU-Medizinprodukteverordnung unterliegen.