Corporate Update: Die Gesetzesänderungen 2021 beinhalten die Modernisierung des Handelsregisters, Geschlechterrichtwerte und Transparenzregeln für rohstofffördernde Unternehmen

Schweiz
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Nach einem turbulenten und ungewöhnlichen Jahr 2020 mit vielen kurzfristigen Corona-bedingten Rechtsanpassungen traten zum 1. Januar 2021 diverse geplante (Corona-unabhängige) Rechtsänderungen in Kraft, unter anderem betreffend die Modernisierung des Handelsregisters. Die im vergangenen Jahr verabschiedete Aktienrechtsrevision soll allerdings erst 2022 in Kraft treten, mit Ausnahme der bereits auf Beginn dieses Jahres vorgezogenen Einführung von Geschlechterrichtwerten und Transparenzregeln für rohstofffördernde Unternehmen.

Die Umsetzung der Änderungen betreffend die Modernisierung des Handelsregisters erfolgt durch eine komplette Neufassung des dreissigsten Titels des Obligationenrechts (OR; Art. 927 ff. OR) sowie eine punktuelle Anpassung der Handelsregisterverordnung (HRegV). Während ein Grossteil der Anpassungen formeller Natur sind (sprachliche Anpassungen; Überführung gewisser Regeln von der Verordnungs- auf die Gesetzesstufe; Regelung einer bestehenden Praxis), gibt es auch gewisse materielle Änderungen. Zu den wichtigsten dieser Änderungen zählen insbesondere die Folgenden:

  • Unterzeichnung von Handelsregisteranmeldungen: Bislang mussten Handelsregisteranmeldungen von Mitgliedern des obersten Leitungsorgans (bei Aktiengesellschaften: des Verwaltungsrats) nach Massgabe ihrer Zeichnungsberechtigung unterzeichnet werden. Neu können Handelsregisteranmeldungen auch von allen übrigen Zeichnungsberechtigten (nach Massgabe ihrer Zeichnungsberechtigungen) oder von bevollmächtigten Dritten unterschrieben werden. Im Falle der Unterzeichnung durch bevollmächtigte Dritte ist jedoch die Vollmacht von Mitgliedern des obersten Leitungsorgans nach Massgabe ihrer Zeichnungsberechtigung zu unterzeichnen und beizulegen. Nach Ansicht des Eidgenössischen Handelsregisteramts (EHRA) handelt es sich bei der Vollmacht um eine Beilage, aber keinen Beleg, weswegen eine (einfache) Kopie ausreichend sei. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass das OR und das Fusionsgesetz (FusG) verschiedentlich explizit die Anmeldung durch das oberste Leitungsorgan verlangen (insbesondere bei Kapitalerhöhungen, der Anmeldung von Zeichnungsberechtigten, der Liquidationen sowie Fusionen, Spaltungen, Umwandlungen und Vermögensübertragungen gemäss Fusionsgesetz). Einige, aber nicht alle dieser Vorschriften werden im Zuge der Aktienrechtsrevision entfallen. Es bleibt abzuwarten, ob dort, wo das Gesetz die Anmeldung durch das oberste Leitungsorgan verlangt, zukünftig auch die flexiblere Unterzeichnung gemäss revidierter HRegV genügt (d.h. die Vorschriften im OR und im FusG nur als eine Pflicht, die Anmeldung zu veranlassen, aufgefasst werden) oder weiterhin die Unterzeichnung durch Mitglieder des obersten Leitungsorgans erforderlich ist. Gemäss Praxismitteilung des EHRA sowie telefonischer Auskunft des Handelsregisters des Kantons Zürich wird derzeit der Standpunkt vertreten, dass dort, wo das Gesetz die Anmeldung durch das oberste Leitungsorgan verlangt, eine Unterzeichnung durch blosse Zeichnungsberechtigte, welche diesem Leitungsorgan nicht angehören, nicht genügt und eine entsprechende Anmeldung zurückgewiesen würde. Dies hat zur Folge, dass derzeit eine Kapitalerhöhung einer Aktiengesellschaft nur durch Mitglieder des Verwaltungsrats angemeldet werden kann, während die Anmeldung einer Kapitalherabsetzung auch durch übrige zeichnungsberechtigte Personen möglich sein sollte.
  • Wegfall der gesonderten "Stampa-Erklärung": Bei Gründungen, Kapitalerhöhungen und nachträglichen Liberierungen war bislang neben den sonstigen Belegen eine gesonderte Erklärung einzureichen, wonach keine anderen Sacheinlagen, (beabsichtigten) Sachübernahmen, Verrechnungstatbestände oder besonderen Vorteile bestehen als die in den Belegen genannten (sog. "Stampa-Erklärung"). Diese Bestätigung ist neu direkt in die öffentliche Urkunde (Gründungsakt bzw. Verwaltungsratsbeschluss) aufzunehmen. Die gesonderte Stampa-Erklärung entfällt demzufolge.
  • Wegfall der "Handelsregistersperre": Die HRegV kannte bislang das Instrument der sog. "Handelsregistersperre", mit welcher eine Eintragung durch einfache Mitteilung an das zuständige Handelsregisteramt für zehn Tage blockiert werden konnte. Um die Sperre über die zehntägige Frist hinaus aufrecht zu erhalten, musste dem Handelsregister nachgewiesen werden, dass innert dieser Frist ein Gesuch um eine entsprechende provisorische Massnahme beim Gericht eingereicht wurde. In diesem Fall blieb das Handelsregister üblicherweise gesperrt, bis das Gesuch um die provisorische Massnahme abgelehnt wurde. Auch wenn derartige Handelsregistersperren in der Praxis nicht allzu weit verbreitet waren, bot die Möglichkeit dazu in der Form einer einfachen Mitteilung ein Missbrauchspotential. Die Handelsregistersperre durch einfache Mitteilung gemäss HRegV wurde nun abgeschafft. Der Rechtsschutz ist gestützt auf die Eidgenössische Zivilprozessordnung (ZPO) grundsätzlich weiterhin gewährleistet. Namentlich kennt die ZPO insbesondere die Möglichkeit der gerichtlich angeordneten (super-)provisorischen Massnahme in Form einer Anweisung an die Handelsregisterbehörde. Allerdings wird es zukünftig schwieriger sein, eine Handelsregistersperre zu erwirken: Neu muss der Gesuchsteller insbesondere glaubhaft machen, dass (i) ein ihm zustehender Anspruch verletzt ist oder eine Verletzung zu befürchten ist und (ii) aus dieser Verletzung ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht. Im Gegensatz zur bisherigen Regelung wird es zudem der Gesellschaft als Beklagte zukünftig möglich sein, ihren Standpunkt bereits zu Beginn des Verfahrens dem Gericht vor der Entscheidung darzulegen, sofern das Gericht nicht aufgrund besonderer Dringlichkeit ohne eine solche Anhörung über das Gesuch entscheidet (sog. superprovisorische Massnahme). Zur Abwehr superprovisorischer Massnahmen steht es der Gesellschaft frei, ihre Stellungnahme bereits vorab vorsorglich in Form einer "Schutzschrift" einzureichen.
  • Zugänglichkeit der Statuten: Das OR sieht neu vor, dass neben den Eintragungen auch die Statuten (bzw. Stiftungsurkunden) im Internet gebührenfrei zugänglich gemacht werden müssen. In einigen Kantonen wie im Kanton Zürich war dies bereits möglich (diese Kantone bieten meist sogar sämtliche Belege als Download an), andere Kantone müssen diese Möglichkeit neu schaffen. Solange die kantonalen Handelsregisterämter die technischen Voraussetzungen zum Abrufen der Statuten (bzw. Stiftungsurkunden) nicht geschaffen haben, müssen sie auf Anfrage unentgeltlich eine unbeglaubigte Kopie davon zur Verfügung zu stellen.
  • Wirkungszeitpunkt: Unter dem bisherigen Recht war der relevante Zeitpunkt von Eintragungen im Handelsregister derjenige der Einschreibung im Tagesregister. Gegenüber Dritten wurden Eintragungen jedoch am Werktag nach der Publikation im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) wirksam. Seit dem 1. Januar 2021 werden Eintragungen im Handelsregister mit der Veröffentlichung im SHAB wirksam. Diese neue Regelung adressiert nicht mehr die Wirkung gegenüber Dritten. Unserer Ansicht nach schliesst dies jedoch nicht aus, dass gewisse gesellschaftsrechtliche Beschlüsse intern gegenüber den Aktionären bzw. Gesellschaftern weiterhin bereits mit dem Beschluss wirksam werden und somit die etablierte Differenzierung zwischen Beschlüssen mit Innen- und/oder Aussenwirkung wohl beibehalten wird. Aus praktischer Sicht ist beim Wirkungszeitpunkt insbesondere darauf zu achten, dass Aktienzertifikate, sofern solche ausgegeben werden, erst nach Publikation einer Gründung oder Kapitalerhöhung im SHAB ausgegeben und datiert werden. Bei einer in der Praxis häufig vorkommenden verfrühten Ausgabe auf den Zeitpunkt der Beurkundung oder (was bislang zulässig war) unmittelbar nach Eintragung im Tagesregister droht die Nichtigkeit der Aktienzertifikate, d.h. es fehlt ihnen der Wertpapiercharakter. Weiter ist aus praktischer Sicht bei zeitkritischen Handelsregistereinträgen (z.B. im Zusammenhang mit Transaktionen oder bei Fusionen) beim Wirkungszeitpunkt der fehlende Rückbezug auf den Tagesregistereintrag in die Planung einzubeziehen.
  • Schutz des öffentlichen Glaubens: Das revidierte Handelsregisterrecht sieht neben der positiven und negativen Publizitätswirkung neu – ähnlich wie die Bestimmungen zum Grundbuch – den Schutz des öffentlichen Glaubens vor: Wer sich gutgläubig auf eine unrichtige Eintragung verlässt, soll in seinen Erwartungen geschützt sein. Anders als mit Bezug auf das Grundbuch steht diese Vorschrift jedoch ausdrücklich unter dem Vorbehalt überwiegender entgegenstehender Interessen. Letztlich orientiert sich damit auch diese neue Bestimmung an der bislang von der überwiegenden Lehre bereits vertretenen Meinung. Ob und welche Neuerungen aus der Gesetzesänderung in diesem Punkt für die Praxis resultieren, wird sich noch zeigen müssen. Bemerkenswert ist, dass die Botschaft Kapitalerhöhungen ausdrücklich als Anwendungsbeispiel der neuen Gesetzesnorm erwähnt: Gläubiger dürfen sich auf das im Handelsregister eingetragene Kapital verlassen, auch wenn die zugrundliegenden Kapitalerhöhungen mit Mängeln behaftet sind.

Zudem wurden einzelne Aspekte, die im Rahmen der Aktienrechtsrevision beschlossen worden waren, bereits vorab implementiert:

  • Vertretung der Geschlechter: Börsenkotierte Unternehmen, welche gewisse Schwellenwerte überschreiten, müssen entweder eine Vertretung beider Geschlechter von mindestens 30% im Verwaltungsrat und mindestens 20% in der Geschäftsleitung einhalten oder in ihrem Vergütungsbericht eine Unterschreitung dieser Richtwerte begründen und Förderungsmassnahmen für das weniger stark vertretene Geschlecht darlegen (comply or explain). Diese Vorschrift greift erstmals für das Geschäftsjahr, welches fünf Jahre (betreffend den Veraltungsrat) bzw. zehn Jahre (betreffend die Geschäftsleitung) nach Inkrafttreten beginnt. Die Regelung betreffend Geschlechterrichtwerten ist derzeit schwer auffindbar: Die relevante Norm (Art. 734f OR) ist bei der Aktienrechtsrevision beim Vergütungsbericht (Art. 734 ff. nOR) angesiedelt. Bei der vorzeitigen Inkraftsetzung der Geschlechterrichtwerte wurde die zukünftige Artikelnummer (Art. 734f OR) beibehalten, weshalb sich die neue Norm betreffend Geschlechterrichtwerte im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung derzeit (d.h. vor Inkrafttreten der Aktienrechtsrevision) innerhalb der Kapitalherabsetzung befindet.
  • Transparenz im Rohstoffsektor: Unternehmen, welche selbst oder durch kontrollierte (Tochter-)Gesellschaften im Bereich der Rohstoffförderung tätig sind und von Gesetzes wegen der ordentlichen Revision unterstehen, müssen zukünftig alle "Zahlungen" (Geld- und Sachleistungen) an staatliche Stellen von jeweils mindestens CHF 100'000 (wobei Teilzahlungen zum gleichen Leistungsgegenstand addiert werden) in einem jährlichen Bericht offenlegen und diesen elektronisch veröffentlichen. Anzugeben ist der Betrag der Zahlungen, die insgesamt und aufgeschlüsselt nach Art der Leistung an jede staatliche Stelle und an jedes Projekt geleistet werden sowie, bei Sachleistungen, deren Gegenstand, Wert, Bewertungsmethode und gegebenenfalls Umfang. Verstösse gegen diese Pflichten werden mit einer Busse sanktionsbedroht sein. Der Bundesrat kann diese Pflichten auf den Bereich des Rohstoffhandels ausdehnen, sofern dies international abgestimmt ist. Die Berichterstattungspflicht gilt erstmals für das Geschäftsjahr, welches ein Jahr nach Inkrafttreten beginnt (bei Gesellschaften, welche das Kalenderjahr als Geschäftsjahr verwenden, somit für das Geschäftsjahr 2022).

Für weitere Informationen zu diesen gesellschaftsrechtlichen Gesetzesänderungen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung: