Der Brexit und Gerichtsstandklauseln in Kreditverträgen nach englischem Recht

Österreich
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Angesichts der nur sporadisch fortgesetzten Brexit-Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien, deren Ausgang weiterhin ungewiss bleibt, sollten die Bestimmungen betreffend Gerichtsstand und Schiedsverfahren in Kreditverträgen nach englischem Recht sorgfältig geprüft werden.

Die Wahl englischen Rechts und englischer Gerichte erfreut sich aus verschiedenen Gründen großer Beliebtheit bei grenzüberschreitenden Finanztransaktionen, auch aufgrund der beträchtlichen Erfahrung englischer Gerichte in Handelssachen, der richterlichen Unabhängigkeit an diesen Gerichten sowie der durch englisches Recht gewährleisteten Vertragssicherheit.

Der Brexit selbst sollte keinen der Gründe, aus denen englisches Recht und englische Gerichte vor dem Brexit eine gute Wahl waren, beeinträchtigen; um jedoch sicherzustellen, dass die Vorteile dieser Entscheidungen auch im Fall eines No-Deal-Brexit oder eines sonstigen Brexit, der die Fortführung des Status quo im Hinblick auf die Vollstreckung von Gerichtsurteilen nicht vorsieht, erhalten bleiben, sollten Kreditgeber mit ihren Rechtsberatern über die verfügbaren Optionen sprechen, um zu gewährleisten, dass sie unter den gegebenen Umständen die bestmögliche Entscheidung treffen.

In Mittel- und Osteuropa sehen wir bei Nichtverwendung einer Schiedsklausel üblicherweise die von der Loan Market Association (LMA) empfohlenen Klauseln, worin ein ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart wird; derartige Gerichtsstandklauseln werden im Allgemeinen als asymmetrisch oder „einseitig“ bezeichnet. Diesen zufolge dürfen die Schuldner den Kreditgeber lediglich vor englischen Gerichten verklagen, wohingegen die Kreditgeber jedes zuständige Gericht anrufen dürfen und sich dadurch alle Optionen offenhalten, bis tatsächlich ein Streitfall eintritt.

Nach den derzeit geltenden europäischen Gesetzen, die während der Übergangsphase zum Brexit weiterhin gültig sind, ist die Wahl englischen Rechts und englischer Gerichte sowie die Vollstreckung englischer Gerichtsurteile innerhalb der gesamten EU durch Anwendung der Rom-I- und der Rom-II-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 593/2008 bzw. Verordnung (EG) Nr. 864/2007) sowie der Brüssel-Ia-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 1215/2012) weiterhin gesichert.

Die Rom-I- und die Rom-II-Verordnung wurden durch ein Gesetz in englisches Recht umgesetzt (The Law Applicable to Contractual Obligations and Non-Contractual Obligations (Amendment etc.) (EU Exit) Regulations 2019) und werden auch nach dem Ende der Übergangsphase gültig bleiben; die Brüssel-Ia-Verordnung jedoch wird dann nicht mehr gelten. Folglich werden andere gültige Gesetze die rechtliche Grundlage für die Vollstreckung der von englischen Gerichten gefällten Urteile im übrigen Europa darstellen. Besonders relevant ist dies für Kreditgeber im Rahmen von Kreditverträgen nach englischem Recht, die mit in der EU ansässigen Kreditnehmern abgeschlossen wurden, deren Vermögenswerte sich außerhalb von Großbritannien befinden. Als Vollstreckungsgläubiger müssen Kreditgeber in der Lage sein, dieses Urteil in jenen Ländern, in denen sich die Vermögenswerte des Kreditnehmers befinden, vollstrecken zu lassen.

Eine diesbezügliche Alternative könnte sich durch den Beitritt Großbritanniens zum Haager Übereinkommen vom 30. Juni 2005 über Gerichtsstandsvereinbarungen (Haager Übereinkommen 2005) ergeben, das von der EU unterzeichnet wurde. Großbritannien hat seine Beitrittsurkunde zum Haager Übereinkommen 2005 am 28. September 2020 hinterlegt, um nach Ablauf der Übergangsphase ein eigenständiges Mitglied zu werden (und nicht als EU-Mitgliedsstaat). Das Haager Übereinkommen ähnelt der Brüssel-Ia-Verordnung insofern, als es einen Mechanismus für die mitgliedsstaatenübergreifende Vollstreckung von Gerichtsurteilen darstellt und von den Gerichten in den Mitgliedsstaaten verlangt, die von den Parteien getroffene Wahl des Gerichtsstandes zu respektieren; dieser Mechanismus gilt jedoch nur für Gerichtsurteile basierend auf einer Klausel, worin ein „ausschließlicher“ Gerichtsstand vereinbart wird, wonach sämtliche Parteien an die ausschließliche Zuständigkeit eines Gerichts in einem Mitgliedsstaat gebunden sind. Somit würden asymmetrische Gerichtsstandklauseln nicht dem Schutz des Haager Übereinkommens unterliegen.

Eine weitere Alternative wäre das Lugano-Übereinkommen, das der Brüssel-Ia-Verordnung ähnelt, dem aber zusätzlich zu den EU-Mitgliedsstaaten noch die EFTA-Länder Norwegen, Island und Schweiz angehören. Zwar bemüht sich Großbritannien um einen Beitritt zum Lugano-Übereinkommen, dieser ist jedoch abhängig von der Zustimmung der bestehenden Mitgliedsländer, und bisher sträubt sich die EU noch dagegen.

Wie also soll sich ein Kreditgeber verhalten?

Ein Schiedsverfahren bleibt die vorrangige Option, weil viele Länder, darunter auch Großbritannien und alle EU-Länder, das New Yorker Übereinkommen unterzeichnet haben, das die Vollstreckung von Schiedssprüchen in Mitgliedsstaaten regelt. Ein Schiedsverfahren kann auch mit Bestimmungen kombiniert werden, die es Kreditgebern gestatten, im Einklang mit asymmetrischen oder ausschließlichen Gerichtsstandklauseln eine Klage bei Gericht einzubringen.

Sobald Großbritannien als eigenständiger Staat dem Haager Übereinkommen beigetreten ist, können derartige Gerichtsstandklauseln in Betracht gezogen werden. Während dies möglicherweise die Flexibilität eines Kreditgebers im Hinblick auf den Ort, an dem ein Verfahren eingeleitet wird, einschränkt, kann in vielen Fällen die Sicherheit der Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes den Mangel an Flexibilität wettmachen.

Sollte die EU dem Beitritt Großbritanniens zum Lugano-Übereinkommen zustimmen, so würde dies der derzeitigen Brüssel-Verordnung sehr nahe kommen und der Status quo würde größtenteils erhalten bleiben.

Schließlich gestatten viele Länder die Vollstreckung ausländischer Gerichtsurteile (auch jener von englischen Gerichten) aufgrund der bestehenden nationalen Gesetze oder infolge bestehender bilateraler oder multilateraler Verträge und Abkommen, die in Kraft bleiben, aber seit dem Beitritt Englands zur EU nicht mehr im Zusammenhang mit englischen Gerichtsurteilen verwendet wurden. Dies kann jedoch nur im Einzelfall mit Hilfe lokaler Rechtsanwälte in den jeweiligen Jurisdiktionen entschieden werden.

Abschließend lässt sich sagen, dass der Brexit zwar die gesetzlichen Rahmenbedingungen ändern wird, auf denen die englischen Gerichtsstandklauseln und die Vollstreckung englischer Gerichtsurteile derzeit beruhen, dass aber dennoch eine Reihe möglicher Alternativen für Kreditgeber und ihre Rechtsberater in der rechtlichen Werkzeugkiste verbleiben.