Der Gesellschaftsvertrag – Fit für die nächste Generation?

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Der Gesellschaftsvertrag ist die Magna Charta des Unternehmens. Er gibt die wesentlichen Regelungen des Gesellschaftsvertrages für alle Gesellschafter verbindlich vor. In Familienunternehmen ist der Gesellschaftsvertrag jedoch häufig seit Gründung des Unternehmens oder seit mehreren Jahrzehnten nicht aktualisiert worden. Wird ein solcher Gesellschaftsvertrag der nächsten Generation „vererbt“, ist eine lösungsorientierte Führung des Unternehmens häufig nicht möglich.

Wesentliche Inhalte des Gesellschaftsvertrags

Der Gesellschaftsvertrag sollte in jedem Fall vor der Unternehmensnachfolge fit für die nächste Generation gemacht werden.

Auf den Prüfstand gehören insbesondere die Regelungen zu

- den Gesellschafterversammlungen und den Gesellschafterbeschlüssen.

- den Verfügungen über Gesellschaftsanteile

- den Ausschluss von Gesellschaftern,

- den Eintritt von Erben in die Gesellschaft und

- den ehelichen Güterstand.

Ferner ist dafür Sorge zu tragen, dass die Gesellschafterrechte auch durch einen Testamentsvollstrecker wahrgenommen werden können. Insbesondere in einer Personenhandelsgesellschaft kann es anderenfalls zu einem unlösbaren Widerspruch zwischen dem Testament des Unternehmers einerseits und dem Gesellschaftsvertrag andererseits kommen.

Regelungen zu Gesellschafterversammlungen und Gesellschafterbeschlüssen

Der Gesellschaftsvertrag muss unmissverständliche Regelungen über die Ladung und Durchführung von Gesellschafterversammlungen enthalten. Auch der Ort einer Gesellschafterversammlung sollte im Gesellschaftsvertrag bestimmt werden. Ferner sollte geregelt werden, wer den Vorsitz in der Gesellschafterversammlung führt und dass die Versammlung protokolliert wird.

Darüber hinaus bedarf es Regelungen zur Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung. Sieht der Gesellschaftsvertrag insoweit nichts vor, wäre die Gesellschafterversammlung bereits dann beschlussfähig, wenn nur ein Gesellschafter anwesend wäre. Empfehlenswert erscheint ein Quorum von 75% der Gesellschafter bzw. des Stimmkapitals.

Beschlüsse werden grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der Stimmen gefasst. Für besondere Beschlussgegenstände (Änderung des Gesellschaftsvertrages, Ausschließung von Gesellschaftern, Abschluss von Unternehmensverträgen, Auflösung der Gesellschaft) empfiehlt sich die Festlegung eines besonderen Mehrheitserfordernisses.

Verfügung über Gesellschaftsanteile

Die Übertragung von Anteilen an einer GmbH bedarf von Gesetzes wegen nicht der Einwilligung der Mitgesellschafter. In einer Personenhandelsgesellschaft müssen hingegen nach dem Gesetz alle Gesellschafter der Übertragung eines Gesellschaftsanteils zustimmen. Beide gesetzlichen Konzepte sind wenig praxistauglich. In der GmbH droht die Übertragung der Anteile an fremde Dritte und damit eine "Überfremdung" des Unternehmens. Die Personenhandelsgesellschaft gestattet dagegen noch nicht einmal eine zustimmungsfreie Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge.

Gebräuchlich sind daher Regelungen, nach denen die Übertragung von Gesellschaftsanteilen der Zustimmung aller weiteren Gesellschafter – oder auch nur einer Mehrheit der Gesellschafter – bedarf, soweit sie nicht an einen eindeutig definierten Kreis nachfolgeberechtigter Personen (in der Regel: Mitgesellschafter, Abkömmlinge eines Gesellschafters, ggf. Ehegatten) erfolgt. Empfehlenswert ist auch die Aufnahme von Familien-Holdinggesellschaften (also juristischer Personen, an denen nur nachfolgeberechtigte Personen beteiligt sind) in den Kreis der nachfolgeberechtigten Personen.

Ausschluss von Gesellschaftern

Insbesondere bei einem groben Verstoß gegen gesellschaftsrechtliche Treuepflichten (z. B. Wettbewerbsverbot, Vertraulichkeitsverpflichtung) kann das Bedürfnis nach einem Ausschluss von Gesellschaftern entstehen. Enthält der Gesellschaftsvertrag hierzu keine Regelungen, kann ein treuwidrig handelnder Gesellschafter jedoch nur durch Urteil ausgeschlossen werden. Dies gilt sowohl für die GmbH als auch für die Personenhandelsgesellschaft. Der Ausschluss wird erst mit Rechtskraft des Urteils wirksam. Der entsprechende Prozess kann sich über mehrere Jahre hinziehen.

Der Gesellschaftsvertrag sollte daher vorsehen, dass die Gesellschafterversammlung Beschluss über den Ausschluss von Gesellschaftern aus wichtigem Grund (§§ 133, 140 HGB) fassen kann. Bei der Beschlussfassung ist der betroffene Gesellschafter nicht stimmberechtigt. Der betroffene Gesellschafter wird hierdurch nicht rechtlos gestellt, da er bereits im Vorfeld der Gesellschafterversammlung oder im Nachgang eine einstweilige Verfügung gegen seinen Ausschluss aus der Gesellschaft erwirken kann.

Der ausgeschlossene Gesellschafter muss eine Abfindung erhalten. Sie muss mindestens 50%, ggf. auch 60% des Verkehrswertes der Beteiligung betragen. Damit die Liquidität der Gesellschaft durch die Abfindungszahlung nicht stark beeinträchtigt wird, kann die Zahlung der Abfindung in Raten erfolgen. Als maximal zulässiger Zeitraum für die Ratenzahlung sind 10 Jahre anerkannt.

Praxistipp

Vor einer Unternehmensnachfolge gehört jeder Gesellschaftsvertrag auf den Prüfstand. Er sollte auf eine mehrgliedrige Gesellschafterstruktur ausgerichtet sein und die strittigen Themen rund um die Gesellschafterversammlung, die Verfügung über Gesellschaftsanteile und den Ausschluss von Gesellschaftern regeln. Außerdem ist er an die aktuelle Gesetzgebung und Rechtsprechung anzupassen.

Ein guter Gesellschaftsvertrag vermeidet keine Konflikte unter den Unternehmensnachfolgern. Aber er hilft, mit ihnen umzugehen.

Dieser Artikel wurde ursprünglich als Teil einer Blogserie zum Thema Unternehmensnachfolge veröffentlicht.