Die Schweiz revidiert die Transparenzverpflichtungen – Teil 2: Das Parlament führt strafrechtliche Bussen für Verstösse ein

Schweiz
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Die Schweiz revidiert die Transparenzverpflichtungen

Am 21. Juni 2019 verabschiedete das Parlament ein Bundesgesetz, welches die Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke umsetzt.

Der Beschluss der beiden Räte ist einer der letzten Schritte des Gesetzgebungsverfahrens, das mit der Vernehmlassung zum Vorentwurf im Januar 2018 vom Bundesrat initiiert wurde (siehe unseren Newsletter vom 7. März 2018). Das am 21. Juni 2019 verabschiedete Bundesgesetz basierte auf den Ergebnissen der Vernehmlassung und wurde von der Legislative geprüft, wobei der Gesetzesentwurf einige Tage zwischen den Parlamentskammern hin- und herging.

Nach Angaben des Bundesrates muss der Gesetzesentwurf bis im Oktober 2019 in Kraft treten, um in der Länderbewertung des Globalen Forums noch berücksichtigt zu werden. Der Bundesrat hat jedoch noch keinen Termin dafür festgelegt. Die Gesetzgebung unterliegt dem fakultativen Referendum, welches bis am 10. Oktober 2019 ergriffen werden kann.

Das vom Parlament verabschiedete Gesetz besteht aus Änderungen des Obligationenrechts (revOR), des Strafgesetzbuchs und anderer Gesetze (inklusive Steuergesetze). Im ersten Teil unserer Analyse haben wir die Abschaffung der Inhaberaktien im schweizerischen Gesellschaftsrecht und die Konsequenzen für Schweizer Aktiengesellschaften und Aktionäre diskutiert. Im diesem zweiten Teil befassen wir uns mit weiteren Aspekten des revOR und gehen kurz auf die damit verbundenen strafrechtlichen Sanktionen ein.

Einführung von strafrechtlichen Bussen

Die vom Parlament verabschiedeten Änderungen führen im Strafgesetzbuch strafrechtliche Sanktionen ein, sofern Aktionäre vorsätzlich gegen ihre Meldepflicht hinsichtlich der an Aktien wirtschaftlich berechtigten Person (und diesbezügliche Änderungen) verstossen. Ebenfalls sanktioniert wird der vorsätzliche Verstoss gegen die Pflicht der Gesellschaften, das Aktienbuch und das Verzeichnis über die wirtschaftlich berechtigten Personen vorschriftsgemäss zu führen.

Was die Führung der jeweiligen Verzeichnisse betrifft, so wird eine Verletzung denjenigen Personen zugeschrieben, die im Namen der Gesellschaft handeln. Konkret würde gegen die Mitglieder des Verwaltungsrates oder andere verantwortliche Personen, an welche diese Pflicht delegiert wurde, eine Busse von bis zu CHF 10'000 erhoben.

Wer ist die wirtschaftlich berechtigte Person?

Gemäss Art. 697j OR muss derjenige, der allein oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Aktien einer Gesellschaft, deren Beteiligungsrechte nicht an einer Börse kotiert sind, erwirbt und dadurch den Grenzwert von 25% des Aktienkapitals oder der Stimmrechte erreicht oder überschreitet, der Gesellschaft die wirtschaftlich berechtigte Person melden.

In unserem ersten Newsletter haben wir dargelegt, dass die Einführung von Bussen im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht (nulla poena sine lege certa) problematisch erscheint. Im Widerspruch zu diesem Grundsatz ist das Fehlverhalten nicht eindeutig definiert. Denn die Antwort auf die Frage "wer ist die wirtschaftlich berechtigte Person?" ist alles andere als eindeutig, wenn die Aktien einer Schweizer Gesellschaft von einer juristischen Person erworben werden und die (endgültige) wirtschaftlich berechtigte Person in einer mehrstufigen Struktur von zwischengeschalteten juristischen Personen identifiziert werden muss.

Das revOR versucht immerhin, diese Frage zu klären. Wenn der erwerbende Aktionär eine juristische Person oder Personengesellschaft ist, so ist nach Art. 697j Abs. 2 revOR der- oder diejenige die wirtschaftlich berechtigte Person, welche(r) diesen Aktionär in sinngemässer Anwendung von Art. 963 Abs. 2 OR "kontrolliert". Art. 963 OR besagt, dass eine juristische Person, die eine oder mehrere Gesellschaften kontrolliert, verpflichtet ist, zusätzlich zum Jahresabschluss eine Konzernrechnung zu erstellen. Somit gilt als wirtschaftlich berechtigte Person diejenige, die direkt oder indirekt die Mehrheit der Stimmen in der Generalversammlung des Erwerbers hält, direkt oder indirekt das Recht hat, die Mehrheit der Verwaltungsratsmitglieder des Erwerbers zu ernennen oder anderweitig einen kontrollierenden Einfluss auf den Erwerber auszuüben.

Es ist sicherlich eine positive Entwicklung, dass das revOR bestätigt, dass nicht jede Person, die direkt oder indirekt eine oder ein paar wenige Aktien am Erwerber hält, als wirtschaftlich berechtigte Person gemeldet werden muss. Der tatsächliche Nutzen des Verweises auf Art. 963 OR scheint jedoch begrenzt, wenn die Aktien an einer Schweizer Gesellschaft von einer juristischen Person erworben werden, deren Aktionäre wiederum juristische Personen sind. In diesem Fall beantwortet der Verweis auf Art. 963 Abs. 2 OR nicht abschliessend die Frage, wer "indirekt" die Mehrheit der Stimmen in der Generalversammlung des Erwerbers hat. Aus unserer Sicht ist "Kontrolle" im Sinne von Art. 963 OR in einer mehrstufigen Struktur von zwischengeschalteten juristischen Personen auf Stufe des Aktionärs des Erwerbers, auf Stufe des Aktionärs dieses Aktionärs usw. (d.h. auf jeder Stufe) erforderlich. Vor diesem Hintergrund gilt unseres Erachtens, dass vorbehaltlich "anderer Kontrolleinflüsse" eine Schwelle von 50% der Stimmen oder der Verwaltungsratsmitglieder für jede juristische Person gilt, die Aktionäre des Erwerbers oder deren Aktionären (usw.) ist. In unserem ersten Newsletter haben wir uns der Ansicht angeschlossen, dass dieser Ansatz bereits in der aktuellen Version des Obligationenrechts gestützt auf Art. 2a Abs. 3 des Geldwäschereigesetzes und des Kommentars zur Vereinbarung über die Standesregeln zur Sorgfaltspflicht der Banken gilt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Grund für die Pflicht der Aktionäre zur Offenlegung des wirtschaftlich Berechtigten darin besteht, die nach den Gesetzen zur Bekämpfung der Geldwäscherei erforderlichen Transparenzmassnahmen zu unterstützen.

Darüber hinaus bietet das revOR zusätzliche Klarstellungen zu anderen bisher strittigen Fragen, wie z.B. die Pflicht eines Aktionärs, in gewissen Konstellationen eine sogenannte Negativmeldung vorzunehmen (d.h. zu melden, dass keine wirtschaftlich berechtigte Person zu identifizieren ist; z.B., wenn der Erwerber eine Konzerngesellschaft einer börsenkotierten Gesellschaft ist).

Trotz der oben genannten Klarstellungen löst das revOR nicht alle Fragen rund um die Identifizierung des wirtschaftlich Berechtigten. So wird beispielsweise nicht geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein "gemeinsamer Erwerb" vorliegt, der die Meldepflicht auslöst, wenn die erwerbenden Aktionäre zusammen den entsprechenden Grenzwert erreichen. Vor diesem Hintergrund und den ungelösten Kontroversen um die Identifizierung des wirtschaftlich Berechtigten bleibt fraglich, ob ein Fehlverhalten ausreichend definiert ist, um strafrechtlich sanktioniert zu werden.

Empfehlungen für Gesellschaften und Aktionäre

Die Androhung strafrechtlicher Sanktionen unterstreicht die Bedeutung der Sorgfaltspflicht von Schweizer Gesellschaften und ihren Aktionären im Hinblick auf die Einhaltung der gesetzlichen Transparenzpflichten. Wir empfehlen dringend, sich in diesen komplexen Fragen rechtlich beraten zu lassen. Hat eine Gesellschaft in der Praxis nach den zu ergreifenden Massnahmen gefragt und von einem qualifizierten Sachverständigen "falsche" Informationen erhalten, sollte sie strafrechtlich nicht belangt werden können, sofern die Aktionäre oder Gesellschaften die Fehlerhaftigkeit der Informationen nicht erkennen konnten.

Weitere Vorschläge zur Sicherstellung der Einhaltung der Transparenzpflichten

Das revOR sieht vor, dass das Versäumnis einer Gesellschaft, die erforderlichen Verzeichnisse (Aktienbuch und Verzeichnis der wirtschaftlich berechtigten Personen) vorschriftsgemäss zu führen, als Mangel in der Organisation der Gesellschaft gilt. In solchen Fällen haben die Aktionäre und die Gläubiger das Recht, dem Gericht zu beantragen, die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen. Das Gericht kann die Gesellschaft unter Androhung ihrer Auflösung auffordern, die Verzeichnisse vorschriftsgemäss zu führen. Wie in unserem ersten Newsletter erwähnt, halten wir es für fragwürdig, ob dieser Vorschlag angemessen ist. Erstens ist der Kreis der potenziellen Kläger zu weitreichend, da die Gläubiger keinen Zugang zu diesen Verzeichnissen haben und daher im Allgemeinen nicht in der Lage sind, ihre Ansprüche zu begründen. Das revOR führt weiter den Handelsregisterführer als potenziellen Kläger auf; für den Handelsregisterführer ist jedoch eine weitere Revision des Obligationenrechts mit einem revidierten Kompetenzkonzept bei Organisationsmängeln pendent. Zweitens könnten die Aktionäre diese Möglichkeit missbrauchen, um sachfremde Ziele durchzusetzen.

Andere kritisierte Elemente des Vorentwurfs wurden nicht beibehalten, was eine erfreuliche Nachricht ist: Das revOR sieht weder (i) die Verpflichtung für Gesellschaften, Zweigniederlassungen von Unternehmen mit Hauptsitz im Ausland und bestimmte Einzelunternehmen und Personengesellschaften vor, ein Konto bei einer Schweizer Bank zu eröffnen, noch (ii) das Recht von Banken und anderen Finanzintermediären, Einsicht in das Anteilbuch und das Verzeichnis wirtschaftlich Berechtigter zu nehmen. Der Bundesrat erwägt jedoch, der Eidgenössischen Steuerverwaltung das Recht einzuräumen, im Rahmen von Verrechnungssteuerprüfungen das Vorhandensein dieser Verzeichnisse zu prüfen. Zudem hat der Bundesrat bereits auf zukünftige Beurteilungen des Globalen Forums und der FATF sowie auf die Notwendigkeit, weitere Gesetze zu prüfen, hingewiesen.

Abschliessend ist darauf hinzuweisen, dass eine Minderheit des schweizerischen Parlaments weitergehende Transparenzmassnahmen vorgeschlagen hat, die in anderen Ländern bestehen, aber grundlegende Änderungen im schweizerischen Rechtssystem erfordern würden. Dazu gehört die Einführung eines zentralen Transparenzregisters, die Pflicht zur Hinterlegung von Jahresabschlüssen und die Eintragung von wirtschaftlich Berechtigten in das öffentlich zugängliche Handelsregister. Diese Vorschläge wurden abgelehnt.